Kelten und Römer in Neuwied

Station 04 | Fischergasse 5, 56567 Neuwied/Irlich

Die keltische Besiedlung im Bereich der Stadt Neuwied

Im ausgehenden 8. Jahrhundert v. Chr. trat im Mittelrheingebiet der markante Wechsel von der Bronze- zur Eisenzeit ein. Die Landschaft an Mittelrhein und Mosel war zu dieser Zeit bereits von keltischen Stämmen besiedelt.

Mit der Kenntnis des Eisens als neuem Werkstoff und der Entwicklung effektiver Eisengeräte nahmen die Siedlungen massiv zu, die auch die Randhöhen von Mittelrhein und Mosel erfassten. Hierbei entstehen Einzelgehöfte mit kleinen Nebengebäuden der sogenannten Hunsrück-Eifel-Kultur.

Die Zunahme an Schmuckfunden in Begräbnissen deutet für diese Zeit auf eine Zunahme des Wohlstands und später auf die Entstehung einer Oberschicht hin, deren Macht und Reichtum auf den Besitz von Rohstoffquellen und einer ausgedehnten Handelstätigkeit basieren.

Mit der älteren Hunsrück-Eifel-Kultur beginnt eine weitere Bevölkerungs- und damit verbundene Siedlungszunahme. Erste befestigte Höhensiedlungen werden in der Regel auf markanten Bergkuppen angelegt.

Zwischen dem 6. - 4. Jahrhundert vor Christus wird der Goloring am Rand des Neuwieder Beckens, im heutigen Bereich von Bassenheim, errichtet. Diese Kultanlage vom "Henge Typ" stellt die bisher einzige eisenzeitliche Kultanlage dieser Art

auf dem Kontinent dar. Funde belegen hier ein ausgesprochenes Siedlungszentrum, welches über vier Jahrhunderte bewohnt war.

In der jüngeren Eisenzeit ist eine Sonderstellung der Region anhand von reichhaltigen Funden abzulesen. Hierbei spielt sicherlich die Verabrietung von Eisen sowie die Weiterentwicklung von Werkzeugen und Gerätschaften eine bedeutende Rolle.

In dieser Zeit ist auch ein Besiedlungsschub mit größeren Siedlungen und Weilern bis in die Hochlagen der Mittelgebierge wie dem Westerwald festzustellen. Hierzu zählt auch die Siedlung im heutigen Stadtteil Neuwied Fahr. Die Siedlung lag in unmittelbarer Nähe zum Rhein im hochwasserfreien Bereich. Der Hüllenberg gab diesem Siedlungsplatz ein sommerwarmes windgeschütztes Klima.

Es handelte sich in Neuwied Fahr vermutlich um ein kleines Dorf oder Gehöft aus der Früh-Latène-Zeit. Grundsätzlich ist von weiteren eisenzeitlichen Siedlungen im Bereich Neuwied auszugehen, die aber durch die modernen Überlagerungen heute nur schwer zu finden sind.

Ende des 4. Jahrhunderts ist in der Mittelrheinischen Senke und in anderen Regionen ein Bevölkerungsrückgang zu beobachten. Dies kann mit den historisch überlieferten keltischen

Wanderungen in Verbindung gebracht werden und die nachfolgende Siedlungsleere erklären helfen.

Reiche Wagengräber belegen jedoch weiterhin eine wohlhabende Führungsschicht, die sich kontinuierlich bis in die ausgehende Eisenzeit und frühe römische Kaiserzeit in der Region halten kann.

Wie die archäologischen Funde zeigen, war die Landschaft an Mittelrhein und Mosel die gesamte Eisenzeit hindurch sehr dicht besiedelt.

Grabhügelfunde

Im Nordosten der Stadt Neuwied finden sich auf dem Höhenrücken oberhalb von Gladbach und Heimbach-Weis heute noch ausgedehnte Grabhügelfelder. Nach heutigem Kenntnisstand gehören diese der vorrömischen Eisenzeit und der Bronzezeit an. Grabhügel wurden damals überwiegend entlang von Fernverbindungswegen angelegt. Die heute noch über 40 erhaltenen Exemplare weisen Durchmesser von bis zu 30 m und eine heutige Höhe von fast 2 m auf. Bei Ausgrabungen finden sich immer wieder Grabbeigaben (s. Foto) in den Grabhügeln.

Der obergermanische-raethische Limes

Die römischen Reichsgrenzen wurden mit unterschiedlichen Befestigungssystemen geschützt. An den langen Nordgrenzen waren es hauptsächlich die Flüsse Rhein und Donau.

Der befestigte obergermanisch-raetische Limes zwischen diesen Flüssen trennte die römischen Provinzen Obergermanien und Raetien vom freien Germanien und bestand vom Ende des 1. bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts nach Christus.

Seine endgültige, äußere Grenzlinie erhielt der Limes etwa Mitte des 2. Jahrhunderts nach Christus. Die Gesamtlänge der äußeren Limeslinie betrug 550 km, entlang der etwa 900 Wachtürme, zahlreiche Kleinkastelle und über 60 große Kastelle errichtet waren.

Der obergermanische Limes schützte besonders die fruchtbaren Gebiete des Neuwieder Beckens, der Rhein-Main-Region und der Wetterau sowie die Verbindungsstraße zwischen den Provinzhauptstädten Mainz und Augsburg. Für

ca.150 Jahre erfüllte der Limes seine Aufgaben sehr erfolgreich und führte zu einer blühenden Wirtschaft im römischen Hinterland.

Als Signalsystem war er ein wirkungsvolles Hindernis, um Raubzüge kleiner Horden zu vereiteln. Massive Angriffe konnten rechtzeitig von Turm zu Turm mit Feuer-, Rauch- und Hornsignalen bis zu den Kastellen weitergeleitet werden. Von hier rückten die starken römischen Truppen aus, um die Eindringlinge abzuwehren und mit Strafaktionen zu verfolgen. Eine wesentliche Aufgabe war zudem in der Überwachung des grenzüberschreitenden Handels.

Erst im 3. Jahrhundert nach Christus schwächten verschiedene Krisen im Römischen Reich die Grenzverteidigung. Wiederholt durchbrachen kriegerische Germanenstämme den Limes. Nach den großen Überfällen 259/260 nach Christus mussten die Römer ihr rechtsrheinisches

Territorium aufgeben. Im 4. und zu Beginn des 5. Jahrhunderts nach Christus bildete u.a. der Rhein die leicht zu überwachenden Flussgrenzen. Es wurden neue Kastelle mit mächtigen Mauern angelegt (z.B. Remagen und Boppard) und dazwischen kleine Festungen, so genannte "burgi" errichtet (z.B. Neuwied-Engers, Lahnstein). Städtische Ansiedlungen erhielten schützende Steinmauern (z.B. Andernach und Koblenz).

Der obergermanische Limes begann nördlich von Neuwied bei Rheinbrohl am Rhein, verlief dann durchgehend über die Randhöhen des Westerwaldes bis zum Main. Dieser war bis Miltenberg Flußgrenze. Von dort führte der Limes in geraden Abschnitten bis nach Lorch a. d. Rems. Hier machte der Limes einen Knick nach Osten und erreichte als raetischer Limes schließlich die Donau bei Hienheim westlich von Regensburg.

Der letzte Ausbau

Um die Wende zum 3. Jahrundert n. Chr. erhält der obergermanische Limes seine letzte Ausbaustufe. Zwischen den Palisaden und den Türmen aus früheren Ausbauphasen wird ein bis 3,0 m tiefer Spitzgraben ausgehoben und der Erdaushub dahinter zu einem etwa 3,0 m hohen Wall aufgeschüttet . Am raetischen Limes in Süddeutschland ersetzte man gleichzeitig die Holzpalisaden durch eine 1,2 m breite und etwa 3,0 m hohe Mauer.

Rekonstruktion Limesturm

Rekonstruierter Limesturm in Hillscheid im Westerwald. Entlang der gesamten Limeslinie standen zunächst hölzerne, später aber steinerne Wachtüre. Diese waren in Sichtweite zueinander aufgestellt und dienten als Signalkette zum Übermitteln von Nachrichten.

Kastelle am Limes im Bereich der Stadt Neuwied

Das Kleinkastell Heddesdorf

Rund 3,5 km vom Limes entfernt liegt in seinem Hinterland im Neuwieder Stadtteil Heddesdorf nahe bei der evangelischen Pfarrkirche das Kastell Heddesdorf.

Das Steinkastell nimmt eine rechteckige Fläche von etwa 160 m x 180 m ein. Zwischen dem Ende des 1. und dem Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. war es Garnisonsort.

Wegen der dichten Überbauung ist heute weder vom Kastell noch vom zugehörigen Kastelldorf etwas zu erkennen.

Das Steinkastell Niederbieber

Direkt am Limes liegt das Kastell Niederbieber. Es wurde wärend der Regierungszeit des Kaiser Commodus (180-192 n. Chr.) erbaut und ersetzte die ältere Kastellanlage in Heddesdorf.

Das Kastell gehört mit einer Fäche von 198,50 m x 265,20 m zu den größten und bedeutendsten am Limes überhaupt. Es wurde rundum von einer Mauer und davor zusätzlich durch einen Spitzgraben gesichert. Das innere Lagerareal war dicht bebaut.

Das Kleinkastell Anhausen

Das Kleinkastell Anhausen liegt am höchsten und nördlichsten Punkt des Limes entlang der Randhöhen des Neuwieder Beckens. Es besteht aus einem Hauptkastell mit einer Fläche von 43,20 m x39,30 m und aus einer kleineren Anlage mit 28,10 m x 23,60 m Seitenlänge im Inneren. Beide Bauten sind von einer Steinmauer mit Spitzgraben umgeben.

Heute ist der Standort des Kleinkastells anhand der zahlreichen Vertiefungen und Erhöhingen im Gelände sichtbar.

Der spätrömische Burgus Engers

Am Hochufer des Rheines befand sich der spätrömische Burgus Engers, der den Rhein mit in die Nordgrenze des Römischen Reiches einbezog.

Der Kernbau mit 3 m dicken Mauern und Spitzgraben hatte die Innenfläche von 15 m x 8 m. Vermutlich war der Burgus nicht nur Wehr- und Schutzbau für die Schifffahrt, sondern auch einen Nachschubspeicher für Getreide. Das eindrucksvolle Mauerwerk des Kernbaues ist heute von einer Wohnanlage überdeckt.

Zur Verteidigung der Grenzen waren Hilfstruppen in unterschiedlich großen Kastellen untergebracht. Die Kastelle waren zwischen 0,6 und 6,0 ha groß und mit etwa 100 bis 1000 Mann besetzt. Die Standorte lagen taktisch günstig nahe am Limes oder etwas zurück im Hinterland.

Die großen Kastelle hatten einen rechteckigen Grundriss mit abgerundeten Ecken. Diese waren von einer Mauer und davor von einem oder mehreren Gräben umgeben. Zusätzlichen Schutz boten seitliche Tortürme sowie häufig Eck- und Zwischentürme. Von den vier Toren aus führten die Lagerstraßen

geradlinig in den Innenraum des Kastells. In der Mitte des Kastells lag ein großer Verwaltungsbau mit rechteckigem Innenhof. In unmittelbarer Nähe des Limes an Durchgängen wichtiger Verkehrsstraßen oder dort, wo durch große Entfernung zum nächsten Hilfstruppenkastell eine Lücke geschlossen werden sollte, wurden kleinere Wehrbauten angelegt. In diesen Kleinkastellen konnte eine Besatzung zwischen 20 und 30 Soldaten entweder dauernd oder nur bei Bedarf zur zusätzlichen Verstärkung der Grenzen untergebracht werden.

Die Drachenstandarte
von Niederbieber

Bei den Ausgrabungen im Lagerdorf des Kastells Niederbieber wurde die berühmte "Reiterstandarte von Niederbieber" gefunden, das einzige bisher bekannte Original einer Standarte in Drachenform (draco).

Der aus dünnem Kupferblech getriebene Drachenkopf ist 30 cm lang und auf der Oberseite feuervergoldet. Ursprünglich saß der Kopf auf einer Stange und an seinem hinteren aufgebogenen Ende war ein schlauchförmiger Windsack aus Stoff angesetzt. Dieser sollte den Drachenkörper imitieren. Wenn der Reiter die Standarte im Galopp hochhielt, strömte der Luftzug durch den geöffneten Rachen, blies den Stoffleib auf und ließ ihn im Wind schlängeln.

Quellennachweis:
GDKE, Landesarchäologie Rheinland-Pfalz, Koblenz
Kreismuseum Neuwied
Jäger - Bauern - Keltenfürsten, 50 Jahre Archäologie an Mittelrhein und Mosel; von berg, A. und Wegner, H.-H.; Koblenz 2001
Der Römische Limes in Rheinland-Pfalz; Jost; C. A.; Koblenz 2009
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