Deichmauer und Deichtore

Station 08 - Deichvorgelände Biergarten | Deichvorgelände - Biergarten, Neuwied

Der Bau des Hochwasserschutzdeichs in der Stadt Neuwied

Neuwied wurde bis zum Bau der Deichanlage alle 3-4 Jahre vom Rhein überschwemmt. Anlass zum Bau der Hochwasserschutzanlage waren drei schwere Hochwasserereignisse innerhalb von fünf Jahren Anfang der 1920er Jahre, welche die wirtschaftliche Existenz der Neuwieder Bevölkerung, damals ca. 20.000 Einwohner, bedrohten. Das Hochwasser von 1925/26 überflutete fast die gesamte Stadt mit einem Gesamtschaden von rund 4-5 Millionen Mark. Dieses gab schließlich den Ausschlag zum Handeln. Infolge dessen wurde der Beschluss gefasst, Neuwied mit einer großen Hochwasserschutzanlage zu umfassen. Das Kulturbauamt Koblenz und das Stadtbauamt Neuwied erhielten 1926 den Auftrag, die Eindeichung Neuwieds zu planen, die unter Leitung des Bürgermeister Krups 1928 begonnen und 1931 beendet wurde. Neben Bürgermeister Krups gilt es hier besonders Eduard Verhülsdonk und Hans Böhm zu erwähnen, die sich mit unermüdlichem Einsatz in Stadt und bei der damaligen Regierung einsetzten.

Der Deich schützt heute die Stadt Neuwied sowohl gegen Hochwasser des Rheins als auch gegen die der Wied. Die Deichkrone liegt überall 1

Meter über dem höchsten bekannten Hochwasser 1926, wodurch stellenweise eine Deichhöhe bis zu 5 Meter über dem Gelände entstand.

Die Hochwasserschutzanlage ist für ein Steigen des Rheinwassers auf 11,20 Meter am Pegel Neuwied ausgelegt, welches um rund 9,0 Meter über dem normalen Wasserstand liegt.

Der Deich, oft nur als die Deichmauer, dem augenfälligsten Teilstück des Deiches, wahrgenommen, ist in Wirklichkeit ein komplexes, 7,5 km langes Schutzsystem, wovon ca. 500 Meter als Deichmauer im Bereich der Innenstadt, der restliche Teil als Erddeich mit Tonkern ausgebildet ist. An der Wied entlang, im Bereich des Werksgeländes der Firma Rasselstein, wurde teilweise eine vorhandene Ufermauer erhöht, um einen umfassenden Schutz der Stadt gegen Rhein und Wied zu erreichen.

Der Deich beginnt im Bereich der Kronprinzenbrücke im Stadtteil Engers als Verschluss der ehemaligen Flutmulde im Engerser Feld, der sogenannten Schleyd, und endet oberhalb der Firma Rasselstein, Gemarkung Nordhausen, an der Wied.

Historisches Foto vom Neuwieder Rheinufer. 1926 überflutete das letzte Hochwasser vor dem Deichbau fast die gesamte Innenstadt
Der Erddeich am Schlosspark Neuwied. Die höhe des Deichs über dem natürlichen Gelände wird im Verhältnis zum Straßenraum besonders deutlich.

Die Deichmauer entlang der Innenstadt

Vom Wilhelmsplatz bis zum Schloss war zwischen den Häusern und dem Rhein streckenweise nur 6 m Raum. Für den Platz der Deichanlage wurde das Ufer an den schmalen Stellen vorgeschoben. Der so gewonnene Raum reichte trotzdem nicht für einen Erddeich aus. Die Lösung dieses Problems war eine massive Deichmauer von über 5 Meter Höhe.

Die Stadt sollte jedoch nicht durch einen geschlossenen Deich vom Fluß- und Fremden- verkehr abgeschnitten werde. Der Querverkehr

von der Stadt zu den Anlegestellen erforderte je ein 6 Meter breites Wassertor vor der Schloss- und der Pfarrstraße. Zusätzlich wurde von der Marktstraße ein Fußgängertor mit einer Breite von 3 Metern eingebaut. Nachdem nun die Stadt geschützt war, war das Rheinbild der Stadt zu gestalten. In einem Architektenwettbewerb wurden besonders auf eine Gliederung durch die großen Tore und ansprechende Aufbauten, den Pegelturm am oberen Ende und die Deichkrone in der Mitte der Deichmauer, Wert gelegt. Das

Schloss war durch das vor ihm liegende Pumpwerk II in das einheitliche Stadtbild einzubeziehen. Unter 45 eingereichten Entwürfen entschied sich die Stadtverwaltung für den des Architekten Furthmann aus Düsseldorf. Die Mauer ist mit einer Verblendung aus oberfränkischem Muschelkalk ausgeführt, die Streifenbildung wurde durch unterschiedliche Bearbeitung der Steine erreicht, glatte gesägte und bossierte Steine wechseln sich ab. Damit wird die Wirkung der langgezogenen Uferlinie unterstrichen.

Die Deichmauer mit der Deichkrone. Die Deichmauer schützt die Stadt Neuwied seit 1931 zuverlässig gegen die Hochwasser des Rheins.

Die Deichmauer

Da die Tragfähigkeit des Bodens für die Gründung nicht ausreicht, musste die Deichanlage auf 2.000 Eisenbetonpfähle aufgesetzt werden.

Um Unterspülungen zu verhindern, wurden beiderseits der Deichmauer schwer rostende Stahlspundwände bis zu 4,50 m tief eingerammt.

1983 wurde eine zusätzliche Dichtwand erstellt. Die statische Berechnung ging von einer Hochwasserbelastung bis zu 20 cm unterhalb der Brüstungshöhe aus.

Der Hochwasserschutzdeich der Stadt Neuwied
(Karte von 1927)

Die gesamte Rheinfront zwischen Engers und der Wiedmündung sowie Teile des Wiedufers werden heute von massiven Deichanlagen geschützt.

Die großen Hochwasser

  • 1784 – "... es entstand eine große Traurigkeit ..."

    Selbst der Trierer Erzbischof drückt sein Mitgefühl aus, obwohl es zwischen ihm und dem Fürsten zu Wied immer wieder Reibereien gab.
    Vom 27. Februar bis 4. März fließt das Wasser durch die damals noch kleine Residenzstadt. Es ist - zeitgenössischen Berichten zufolge - das bis dahin größte Hochwasser. Vor allem auf dem Rhein treibende Eisschollen verursachen große Schäden.
    Die Karte zeigt das Ausmaß der Flut. Zwar gab es danach manche Idee zum Schutz vor Hochwasser, umgesetzt wurde aber kaum etwas. Einerseits fehlte das Geld, andererseits ließen die größeren Abstände zwischen den Hochwassern die Bewohner immer wieder vergessen, dass der Stadtgründer Graf Friedrich III Neuwied in ein "Wasserloch" gesetzt hatte.
  • 1882 – Auch der Fürst steht im Wasser

    Schutzmaßnahmen beschränken sich auf die erhöhte Engerser Landstraße direkt am Rhein und einen Querdamm im Bereich der heutigen Dammstraße (in der Karte markiert). Vor größeren Hochwassern kann das aber nicht wirklich helfen.
    Die Fürstenfamilie muss mit anpacken: Fürst Wilhelm zu Wied (im Boot) vor der Mennonitenkirche in der Schlossstraße.
    Die überflutete Mittelstraße. Viele Probleme zeigen sich erst nach dem Abfließen des Wassers: Schlamm, Fäkalien, Unrat, Tierkadaver ...
  • 1926 – Ein Deich muss her!

    Der Marktplatz – nur mit dem Boot erreichbar.
    Neujahrstag 1926. Pegelstand 10.22. So hoch stand der Rhein noch nie. Es ist das dritte große Hochwasser innerhalb weniger Jahre. Nun ist klar – es muss etwas geschehen.
    Warme Suppe für die Eingeschlossenen. 80% des damaligen Stadtgebietes mit über 5000 Wohnungen sind betroffen!
    2,31 m über der Straße! Und wie bekommt man die Häuser nachher wieder trocken?
  • 1930 – Ein letztes Mal unter Wasser

    Oktober/November 1930. Ein letztes Mal steht Neuwied im Wasser – der Deich ist noch nicht fertig.

    Kaum eine Stadt vergleichbarer Größe am Rhein (Neuwied hat damals ca. 20.000 Einwohner) ist so schutzlos dem Hochwasser ausgesetzt. Trotzdem braucht es viel Durchsetzungskraft, auch bei höheren Stellen wie der Reichsregierung in Berlin Finanzmittel locker zu machen.

  • 1993 – Knapp unter der Deichoberkante

    Der Rhein auf Rekordniveau. Nur gut, dass die Stadtväter nach dem Hochwasser 1926 die Deichhöhe noch einen Meter höher festgelegt haben.
    Der Schlosspark unter Wasser.
    Da fehlt nicht mehr viel: Rheinstand am Café Deichkrone.
    Auch der Querdamm am Sandkauler Weg wird dichtgemacht.

Die Deichtorschließung im Wandel der Zeit

Seit 1932 schützt die 5 Meter hohe Deichanlage die Stadt Neuwied verlässlich gegen das Hochwasser.

Damit in hochwasserfreien Zeiten eine Verbindung zum Strom verbleibt, wurde das Deichsystem mit 5 kleineren und 6 größeren Öffnungen versehen, die im Hochwasserfall schnell und zuverlässig von der Neuwieder Feuerwehr geschlossen werden. Durchschnittlich einmal pro Jahr wurden seitdem die Hochwassertore geschlossen. Von Anfang an war der Verschluss der Wassertore mit zwei Dammbalkenreihen aus imprägniertem Kiefernholz konzipiert, deren Zwischenraum mit Lehm verfüllt werden musste. Dies war in den ersten 46 Jahren vor allem im Winter eine große Herausforderung an die Wehrmänner. Grosse Flügeltore verhinderten dabei das Ausspülen der Lehmfüllung. Diese werden noch heute

geschlossen, um eine schnellst mögliche Verkehrssicherheit und Schutz vor Treibgut zu erreichen.

Im März 1978 war zuerst probeweise für das Tor Pfarrstraße, danach für alle Deichtore, bis auf das Deichtor Sandkauler Weg, die "Lehmzeit" vorbei. Das Deichtor Pfarrstraße wurde erstmals probeweise beim Hochwasser von 1978 mit Stahl-Kassetten-Platten mit Gummidichtungen verschlossen. Nach der erfolgreichen Probeschliessung wurden danach bis 1984 die übrigen Deichtore mit Stahlplatten als Verschlussplatten ausgestattet. Beim Neubau der Umgehungsstraße B256 hatte das Straßenbauamt das Quertor Sandkauler Weg als Stahlbetonkonstruktion erneuert, in Abstimmung mit den Stadtwerken Neuwied erhöht und mit einem Verschluss aus Stahlplatten mit Gummidichtungen versehen.

1988 trat am Neuwieder Pegel erneut ein sehr hoher Rheinwasserstand (wie 1955, 1970 und 1983) auf, der an der Deichmauer auf etwa 3,30 Meter stand.

1993 trat mit dem Höchstpegel von 10,28 Meter erstmals wieder ein vergleichbar hoher Wasserstand wie 1926 auf, der die Belastungsfähigkeit von Mensch und Material bis an die Grenzen herausforderte. Es war das höchste Hochwasser seit Bestehen der Deichanlage, ca. 0,06 Meter höher als 1926. Die Feuerwehr verschloss auch die obersten kleineren Verschlüsse an der Deichmauer, das Quertor Sandkauler Weg und zuletzt das Deichtor auf der B42. Das Rheinhochwasser 1993 blieb nur ca. 0,90 Meter unter der Oberkante der Brüstungsabdeckung.

Die Deichtore werden von der Feuerwehr mit Balken und Lehm verfüllt.
1978 wird unter Leitung des damaligen Direktors der Stadtwerke, Oswald Roth, die neuartige Deichtorschließung durchgeführt.
Heute werden die Stahlelemente mit Kranwagen von der Feuerwehr in die Deichverschlüsse eingesetzt.

Der Deichbau erforderte Mut.

Es bedurfte der Kraft und des Mutes vor allem dreier Männer, Robert Krups, Eduard Verhülsdonk und Hans Böhm, die gemeinsam mit weiteren damals politisch Verantwortlichen die Entscheidung zum Schutz unserer Stadt und zum Bau des Neuwieder Deichsystems herbeiführten.

Robert Krups

1887 wurde Robert Krups in Wald bei Solingen geboren. 1924 wurde er Bürgermeister in Neuwied.

Besondere Verdienste um die Stadt Neuwied erwarb sich Robert Krups durch den Aufbau des Sozialwesen, der Stadtwerke, der Feuerwehr, der Brücke, der Stadtverschönerung und insbesondere beim Deichbau 1928.

1936, nach der Machtergreifung der NSDAP, wurde er zwangsbeurlaubt.

Von 1936 bis 1945 war er als niedergelassener Verwaltungsrechtsrat in Köln tätig und betreute von dort aus u.a. die Hobraeckwerke in Neuwied, 1945 zog er nach der Ausbombung von Köln wieder nach Neuwied zurück.

Für kurze Zeit lebte er in einer Notunterkunft in Weißenthurm, ehe er zuerst eine Wohnung in der Augustastraße und später ein eigenes Haus in der Elisabethstraße bewohnte. Nach 1945 war er Beirat der IHK, danach 1. Vizepräsident der IHK.

Er verstarb am 12.12.1950 in Neuwied, wo ihm am 10.10.1984 im Bereich des Deichtores Marktstraße auf der Deichpromenade ein Denkmal gesetzt wurde.

Eduard Verhülsdonk

Eduard Verhülsdonk wurde am 16.04.1884 in Krefeld geboren und kam nach seiner Heirat am 1911 als Verlagsdirektor der Rhein-Wied-Zeitung nach Neuwied. In der Kommunalpolitik wurde er 1919 Stadtverordneter und Mitglied des Kreisausschusses.

1928 zog er in den Preußischen Landtag ein.

Im Reichstag nahm er 1930 für die Zentrums-Partei den 1. Platz für den Wahlkreis Koblenz-Trier ein.

Seine stets kritische Haltung gegen das NS-System brachte ihm dessen Verfolgung ein.

Er verstarb am 31.10.1934 nach einer unschuldig abgesessenen Haftzeit und einem zermürbenden Prozess.

Mit Robert Krups gemeinsam kämpfte er mutig für den Bau des Neuwieder Deichsystems und erreichte 1928 eine staatliche Förderung der damaligen Reichs- und Provinzialregierung in Höhe von 6 Mio. RM wodurch der Anteil der Stadt Neuwied auf 1,7 Mio. RM begrenzt werden konnte.

Zu seinem Gedenken wurde die ehemalige Roonstraße in "Eduard-Verhülsdonk-Straße" umbenannt.

Hans Böhm

Hans Böhm wurde am 14.09.1882 geboren.

Er war u.a. als ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt Neuwied tätig. In seiner Funktion als Kreistagsabgeordneter und als Franktionsvorsitzender der SPD hat er es verstanden, auf die Hochwasserprobleme der Stadt bei Vorverhandlungen im Berliner Reichstag aufmerksam zu machen und war so am Zustandekommen der Genehmigung für den Neuwieder Deichbau erheblich beteiligt.

Hans Böhm verstarb am 15.01.1955.

Quellennachweis:
Meinhardt, A. (1953): 300 Jahre Neuwied 1653-1953, Neuwied
Meinhardt, A. (1995): Neuwied Einst und Heute, Neuwied
Arbeitskreis Engers [Hrsg.] (2007): Engers; Der Ort und seine Geschichte, Engers
errichtet vom
Förderverein Neuwieder Deich e.V.
www.deichinfo.de